03/2010 - Finanzierung der stationären Pflege in NÖ

Zusammenfassung

Im vorliegenden Prüfbericht wurden die bestehenden Strukturen der Pflegeversorgung in NÖ dargestellt und versucht, die künftigen Bedarfe der stationären Pflegeplätze im Bundesland NÖ im Kontext der demografischen Entwicklung und unter Berücksichtigung von Kompensationseffekten abzubilden. Die Abschätzung der zukünftigen Zahl an pflegebedürftigen Personen ist von großer Bedeutung, um einerseits die Pflegekapazitäten bestimmen und um andererseits die damit einhergehenden finanziellen Belastungen berechnen zu können.

Als wesentliche Fakten aus den modellhaften Berechnungen, die auf Prognosen beruhen und auf Basis der ceteris-paribus-Klausel erfolgten, sowie aus den Erkenntnissen der vorliegender Szenarien-Datensätze lassen sich folgende Feststellungen treffen:

  • In NÖ ist mittelfristig mit einem starken Bevölkerungswachstum zu rechnen. Auffallend dabei ist der stark steigende Anteil der über 60-jährigen. Er wird von 2007 auf 2030 um rund 52 % und bis 2050 um rund 79 % ansteigen. Eingrenzend wird darauf verwiesen, dass der Prognosewert 2050 mit hoher Unsicherheit behaftet ist.
  • Der Bedarf an stationären Pflegeplätzen wird in NÖ stark steigen. Für die nächsten zwölf Jahre ist bei konservativer Schätzung mit einem steigenden Bedarf von rund 30 % zu rechnen. Auch die Nachfrage nach mobiler Betreuung wird in annähernd gleichem Aus- maß zunehmen.
  • Durch die Änderung der Lebensformstrukturen (Familien werden kleiner, regionale Mobilität steigt, Frauenerwerbstätigkeit nimmt zu, Zeitpunkt des Pensionsantritts wird angehoben) wird sich die Bereitschaft zur informellen Pflege innerhalb der Familie verringern. In welcher Dimension dies stattfinden wird, kann ohne geeignete Daten nicht abgeschätzt werden.
  • Der entwickelte künftige Bedarf stationärer Langzeitpflegeplätze ist in Anbetracht der auftretenden Kompensationseffekte nur unter Beachtung folgender Determinanten zu erreichen bzw. ist ansonsten mit einem höheren Bedarf zu rechnen:
    • Das Angebot der informellen Pflege bleibt etwa im bisherigen Ausmaß aufrecht bzw. wird – sollte die erwartete Ausdünnung eintreten – durch ambulante Dienste aufgefangen.
    • Das Betreuungsangebot der mobilen Dienste wird dem erforderlichen künftigen Bedarf entsprechend ausgebaut.
    • Die Angebote der 24-Stunden-Betreuung, der teilstationären Betreuung, der Kurzzeitpflege und der Übergangspflege werden zur Unterstützung der informellen Pflege verstärkt ausgebaut.
  • Die Finanzierung der entwickelten künftigen Bedarfe in der gesamten Pflegevorsorge wird sowohl das NÖ Landesbudget als auch jenes der NÖ Gemeinden massiv belasten. Im Jahr 2009 betrug der Finanzbedarf für das Landespflegegeld, den Betriebsabgang bei den Landesheimen, für die sozialmedizinischen Dienste, die 24-Stunden-Betreuung und die Sozialhilfemittel für die stationäre Pflege insgesamt € 287,10 Mio. Davon entfielen auf das Land NÖ € 146 Mio. Bei konservativer Berechnung des künftigen Finanzbedarfs bis 2021 wird der gesamte Mittelbedarf, auch unter Berücksichtigung der Investitionskosten zur Abdeckung des Zusatzbedarfs an Pflegebetten, auf € 507,83 Mio ansteigen, wobei der Landesanteil voraussichtlich € 272,60 Mio betragen wird. Das bedeutet eine Steigerung des Gesamtfinanzbedarfs von rund 76,9 %. Ob die NÖ Gemeinden ihren Anteil an den Gesamtausgaben leisten werden können, ist aus derzeitiger Sicht eher in Frage zu stellen. Aller Voraussicht nach wird das Land NÖ hier einen Teil der Gemeindebeiträge übernehmen müssen.
  • Sowohl die NÖ Landespflegeheime als auch ein Großteil der Vertragsheime haben unter den derzeitigen Rahmenbedingungen kaum Möglichkeiten ausgeglichen zu budgetieren. Dieser Zustand ist auf Dauer nicht haltbar, da die wirtschaftliche Substanz – dabei vor al- lem jene der Vertragsheime – nachhaltig beeinträchtigt wird und damit auch eine Gefährdung der stationären Versorgung eintreten könnte. Das Land NÖ, als verantwortliche Gebietskörperschaft, ist hier gefordert, durch neue strategische Ansätze den Anbietern statio- närer Pflegebetten eine wirtschaftliche solide Geschäftsgebarung zu ermöglichen. Dies umfasst auch die Gebarung der NÖ Landespflegeheime.

Die politischen Entscheidungsträger in NÖ haben nicht auf alle der vorstehend angeführten Determinanten gestaltende Einflussmöglichkeiten. Für den Bereich der Pflege-Sachleistungen, die ja von den Ländern zu organisieren, zu koordinieren und vor allem auch zu finanzieren sind, werden durch das Land NÖ große Anstrengungen unternommen, um dem Bedarf gerecht zu werden. Beispielhaft können hier das kürzlich beschlossene Ausbauprogramm für Pflegeheimplätze oder das vorbildhafte NÖ Förderungsmodell für die 24-Stunden-Betreuung erwähnt werden. Der Wille zur Bewältigung dieser anspruchsvollen Aufgabe wird auch durch die politische Absichtserklärung, NÖ als soziale Modellregion in Europa zu platzieren, dokumentiert und spiegelt sich im Landesbudget entsprechend wider.

Mit einem starken Anstieg der Nachfrage nach stationären Pflegeplätzen ist ab dann zu rechnen, wenn die erwartete Ausdünnung im Bereich der informellen Pflege (sinkende Pflegebereitschaft durch Familienmitglieder bzw. Bekannte) eintritt und zusätzlich die geburtenstarken Jahrgänge in den Altersbereich mit hoher Pflegewahrscheinlichkeit eintreten. Das Fehlen von aussagekräftigen Daten über die zu erwartenden Dimensionen bei der Ausdünnung der informellen Pflege stellt einen nicht zu unterschätzenden Unsicherheitsfaktor bei der künftigen Planung der stationären Langzeitpflege dar.

Zur Bewältigung der Herausforderungen im Pflegebereich sind in den nächsten Jahren neue strategische Lösungsansätze zu entwickeln. Dabei haben immer die betroffenen Pflegebedürftigen, die betreuenden Angehörigen und das professionelle Betreuungs- und Pflegepersonal im Mittelpunkt zu stehen.

Abgesehen von einer Empfehlung sagte die NÖ Landesregierung zu allen anderen Forderungen und Empfehlungen des NÖ Landesrechnungshofs eine konkrete Umsetzung zu. Hinsichtlich der Stellungnahme der NÖ Landesregierung zur Gleichschaltung der Vertragsheime mit den Personalanhaltszahlen der NÖ Landespflegeheime bleibt der NÖ Landesrechnungshof bei seiner im Bericht getätigten Empfehlung.